Namen des Widerstands im Gemeindehaus
Das Geheimnis der Versöhnung mit unserer deutschen Geschichte heißt Erinnerung. Was aber passiert, wenn uns diese Erinnerung abhanden kommt?
Als der Wiesbadener Kurier vier zufällig ausgewählte Menschen in der Fußgängerzone befragte, warum denn am 9. November ein besonderer Tag sei, erinnerte sich nur noch einer von ihnen an die Reichspogromnacht 1938, in der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern so unsägliches Leid angetan wurde.
Der Kirchenvorstand hat beschlossen, durch die Benennung der Räume unseres Gemeindehauses nach Bergkirchen-Persönlichkeiten aus dem kirchlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus die Erinnerung lebendig zu erhalten. Auf dass der Geist des Aufstehens gegen die Unmenschlichkeit auch weiterhin das Profil unserer Gemeinde bestimmt.
Der große Saal erhält den Namen Franz-von-Bernus-Saal. Franz von Bernus war von 1925 bis 1953 Pfarrer an der Bergkirche und eine der profiliertesten Persönlichkeiten des kirchlichen Widerstands weit über Wiesbaden hinaus. Unvergessen sind seine mutigen Worte von der Kanzel als Reaktion auf die Geschehnisse der Reichspogromnacht.
Raum 2, in dem u. a. der Kirchenvorstand tagt, wird zum Hans-Buttersack-Saal.
Kirchenvorsteher Dr. Hans Buttersack, bekannter Wiesbadener Rechtsanwalt und Rechtsberater der Bekennenden Kirche in Wiesbaden, war langjähriges Mitglied im Kirchenvorstand der Bergkirche. Auf sein Betreiben bildete sich in Wiesbaden die Bekenntnisgemeinde. Seinen im festen Glauben gründenden Einsatz für die Menschlichkeit, seine Hilfe für Juden bezahlte er mit dem Leben. Im Februar 1945 starb er im KZ Dachau.
Der kleine Saal heißt Max-Fries-Saal. Max Fries war in der „heißen Phase“ des Kirchenkampfs geschäftsführender Pfarrer an der Bergkirche. Seiner Zähigkeit ist es zu verdanken, dass der bekenntnistreue Kirchenvorstand trotz offizieller Absetzung durch den Landesbischof weiter amtierte.
Raum 4 wird zum Heinrich-Vömel-Raum. Dr. Heinrich Vömel war in jener Zeit an der Bergkirche speziell für die Krankenhausseelsorge zuständig, seine den Menschen zugewandte Art ist noch vielen in Erinnerung. Stets war er in Kirchenvorstandsdebatten ein verlässlicher Rückhalt der bekenntnistreuen Seite.
Raum 5 wird Ludwig-Anthes-Raum benannt. Aufgrund seiner Mitverfasserschaft der „solida declaratio“, die Ende 1933 den beginnenden Irrweg der evangelischen Kirche öffentlich kritisierte, wurde Bergkirchenpfarrer Ludwig Anthes bereits 1934 strafversetzt.
Schließlich trägt der Clubraum den Namen Friedel-Vater-Raum. Friedel Vater war in der Zeit des Kirchenkampfs Leiterin des Bergkirchen-Kindergartens. Auch nach der „Überführung“ des Kindergartens in die NSV erschien sie weiterhin in Schwesterntracht. Was ihr zwar eine zeitweilige Suspendierung einbrachte, sie letztlich aber nicht beirren konnte.
Am Eingang zu den Räumen hängen erklärende Schilder mit Stichpunkten zu den jeweiligen Personen sowie deren Bilder.